Die Schönheit der Auflösung, des Ungewissen und Undeutbaren
Touria Alaoui zeigt ihre Ausstellung „Farben der Erde“ im Glashaus Von Martin Ganzkow

DERNEBURG. Die neue Ausstellung im Glashaus begrüßt die Besucher mit großformatigen, freundlich strahlenden Bildern in einer hellen und fröhlichen Atmosphäre. Das sind die Arbeiten von Touria Alaoui aus Gronau, die im April ihre Ausstellung „Farben der Erde“ zeigt, die Leichtigkeit in das Leben der Menschen bringt. Was will man mehr?

Die Arbeiten der Künstlerin mit marokkanischen Wurzeln sind abstrakt, also nur Farbe und Form. Nur Farbe und Form? Die Titel ihrer Bilder sprechen eine andere Sprache. Da geht es um Bäume, Wind, Licht, Luft und Flüsse. Aus allen ihren Bildern spricht Bewegung, Überlagerung und Durchdringung von Flächen und Farben. Nichts steht still, wie schon der Philosoph Heraklit um 500 vor Christus sagte: „Alles fließt“.

Fließen bedeutet immer auch Veränderung und die erzeugt häufig Angst. Jedoch nicht auf den Bildern von Touria Alaoui. Sie findet die Schönheit in der Auflösung, im Ungewissen und Undeutbaren. Ihre Abstraktion ist nicht von streng geistiger Natur, also reiner Gedanke, sondern vielmehr an die Unendlichkeit der Natur angelegte Kunst. Nicht so beängstigend wie der Blick durch das James Webb-Weltraumteleskop, das die unbegreifliche Unendlichkeit des Weltalls zeigt. Sondern Touria Alaoui stürzt sich mit warmen Gefühlen und viel Vertrauen in überraschende Welten.

Die 3 Bilder „O Luft“ zeigen, dass Luft kein leerer Raum ist, sondern ein Raum voller Energie und Kraft. Einmal vor einem bunten, dann türkisenen und blauen Grund schweben graue Ringe durch das Bild, die die Farbigkeit der Umgebung annehmen, ein fröhliches Getümmel der Atome in unendlichen Weiten.

Auf den 2 Bildern „Hotspot“ dominieren rote Flächen. In der Biologie ist ein Hotspot ein Gen, an dem besonders viele Mutationen auftreten, gesellschaftlich beinhalten Hotspots ein hohes Konfliktpotential und im Internet sind sie ein drahtloser Zugang zum Web. Bei Turia Alaoui sind sie Orte von Dominanz, in denen die Kraftfarbe Rot mit ihrer Umgebung spielt, sie durchdringt und überdeckt.

Touria Alaoui liebt den Wind und ihre „Windbilder“ präsentieren sich im großen quadratischen Format: Der „Südwind“ mit durcheinanderwirbelnden farbigen Flächen vor einem hellen Hintergrund mit ganz viel lebendiger Struktur. Der „Westwind“ weht in einer luftig grünen fruchtbaren Umgebung mit goldenen Flächen, in der es keinen Halt gibt. Die Farben sind wie Gerüche, die den Betrachter betören und verzaubern.

Eine wundervolle Komposition ist das Bild „Lichtweg“. Langgestreckte Formen, die an Bäume und Pflanzen erinnern, erwachsen aus Blöcken und streben losgelöst und frei nach oben. Die bunte Farbigkeit besitzt Tiefe und Schwere, Ruhe in der Bewegung, Stille im endlosen Dialog der Gedanken. Sich den Bildern von Touria Alaoui zu hinzugeben, heißt, sich fallen und tragen zu lassen, keine Festlegung zu dulden und die Freiheit zu Genießens.

Touria Alaoui vor ihrem Bild “Lichtweg”

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